Schlagwort-Archive: Grenzen annehmen

DIE KANN DOCH AUCH MAL BALD STERBEN!

Bettina Maier*, 32 Jahre, Intensiv­kranken­schwester, 2 Kinder

Durch mei­ne Arbeit auf der Inten­siv­sta­ti­on habe ich eine sehr prag­ma­ti­sche Sicht auf den Tod:
Wenn es aus ist, ist es aus.
Zu Hau­se erzäh­le ich mei­ner Fami­lie natür­lich von mei­ner Arbeit – auch davon, dass eini­ge mei­ner Pati­en­ten ster­ben – ent­we­der weil sie ein­fach schon sehr alt oder unheil­bar krank sind. Natür­lich ver­scho­ne ich mei­ne Kin­der mit belas­ten­den Details, sie sind ja erst fünf und zwei Jah­re alt. Aber sie bekom­men trotz­dem eini­ges mit. Ich fin­de das auch gut so. Es ist mir wich­tig, dass mei­ne Kin­der erfah­ren, dass der Tod zum Leben und auch zu mei­ner Arbeit dazu­ge­hört. Dar­um ver­schwei­ge ich das nicht. Es käme mir falsch und ver­lo­gen vor. Mei­ne Kin­der kön­nen damit gut umge­hen. Ich fin­de sogar sie haben ein natür­li­che­res und nor­ma­le­res Ver­hält­nis zum Tod als vie­le Erwachsene.

Manch­mal kommt es dadurch aller­dings auch zu etwas pein­li­chen Situa­tio­nen: Neu­lich habe ich mei­ne Groß­tan­te im Pfle­ge­heim besucht und mein fünf­jäh­ri­ger Sohn war dabei. Er hat sich sehr genau im Zim­mer und im Heim der Tan­te umge­se­hen. Als wir nach dem Ver­ab­schie­den durch die Schie­be­tür gehen mein­te er nur ganz bei­läu­fig: „Mensch Mama, die Tan­te Lot­ti ist ja auch schon sooo alt. Die kann doch auch mal bald ster­ben.“
Ich bin froh, dass das kei­ner gehört hat.

*Name geän­dert

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ICH HABE GELERNT MIT MIR ZUFRIE­DEN ZU SEIN

Paul Ehrlich*, 75 Jahre, Malermeister i.R., 4 Kinder, 7 Enkelkinder

Gren­zen anneh­men fand ich mein gan­zes Leben lang schwie­rig. Ich habe mich in mei­nem Berufs­le­ben oft gefragt, ob mein Beruf das Rich­ti­ge für mich ist. Mei­ne musi­ka­li­sche Bega­bung hät­te ich ger­ne aus­ge­lebt. Nach einem schwe­ren Unfall auf der Bau­stel­le habe ich über­legt „Was hast Du bis­her aus Dei­nem Leben und Dei­nen Bega­bun­gen gemacht? Hast Du das ver­geu­det?“
Da habe ich der Musik in mei­nem Leben mehr Raum gege­ben. Erst in der Frei­zeit, dann habe ich pro­biert, sie zu mei­nem Beruf zu machen und mit Mit­te 40 bei der Musik­hoch­schu­le vor­ge­spro­chen: Der Pro­fes­sor hat mir gesagt, „Herr Ehr­lich, dafür sind sie zu alt.“ Das hat mich getrof­fen. Aber er hat­te ja Recht.
Vor 15 Jah­ren hat­te ich dann einen Schlag­an­fall. Seit­dem habe ich immer mehr gelernt, mit mir zu zufrie­den zu sein. Heu­te emp­fin­de ich mich als einen dank­ba­ren und glück­li­chen Menschen.

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