Schlagwort-Archive: Grenzen übertreten

ÜBRI­GENS, ICH TRA­GE SCHWARZ. MEIN MANN IST GESTORBEN.

Elke Kotter-Riedel*, 35 Jahre, Diplom-Biologin, 2 Kinder

Seit ich Kin­der habe, ach­te ich mehr auf mich und neh­me Din­ge anders wahr. Frü­her war ich här­ter im Neh­men. Heu­te bin ich viel ver­letz­li­cher.
Als ich mit mei­nem zwei­ten Kind schwan­ger war, war ich zum Eltern­sprech­tag mei­ner älte­ren Tocher in der Grund­schu­le. Die Klas­sen­leh­re­rin hat mir bei der Begrü­ßung direkt gesagt: „Übri­gens, ich tra­ge schwarz. Mein Mann ist vor kur­zem gestor­ben.“
Nor­ma­ler­wei­se fra­ge ich in sol­chen Situa­tio­nen mit­füh­lend nach. Aber in die­ser Situa­ti­on emp­fand ich die­se Ansa­ge der Leh­re­rin als eine tota­le Grenz­über­schrei­tung. Mei­ne eige­ne Mut­ter war erst vor eini­gen Mona­ten ver­stor­ben und ich war selbst noch mit­ten im Kämp­fen und Ver­ar­bei­ten. Ich habe ganz klar gespürt, dass ich mit einem mir bis dahin völ­lig frem­den Men­schen kei­ne tief­ge­hen­den Trau­er­ge­sprä­che füh­ren möch­te. Ich woll­te mich schüt­zen – vor zu viel Schick­sal, vor zu viel Trau­er und vor frem­der Lebens- und Lei­dens­ge­schich­te. Ich habe also nur gesagt, dass mir das Leid tut – und nicht wei­ter nach­ge­fragt. Ich habe gespürt, dass sie mehr erzäh­len woll­te, aber ich konn­te und woll­te nicht. Ich woll­te ein­fach nur wis­sen, wie mein Kind in der Schu­le steht.

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DER­ZEIT VER­SU­CHE ICH MICH ANZUPASSEN

Claudia Freitag*, 53 Jahre, kaufmännische Angestellte

Ich nei­ge dazu Gren­zen zu über­tre­ten.
Das mer­ke ich der­zeit vor allem im Job mit mei­nen Kol­le­gen. 
Es ist dort auch nicht ganz ein­fach für mich. Ich kam vor gut fünf Jah­ren in das Unter­neh­men, in eine über Jah­re ein­ge­schwo­re­ne Kol­le­gen­ge­mein­schaft. Man kennt sich, man geht mit­ein­an­der wan­dern, fei­ert gemein­sam Fes­te und man weiß, wie die Din­ge im Geschäft lau­fen. Es ist im Grun­de tag­ein, tag­aus, jahr­ein, jahr­aus der glei­che Ablauf.
Dort liebt man vor allem eines nicht: Zu vie­le Ver­än­de­run­gen und zu vie­le Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge.
Das klingt viel­leicht hart, aber ich sehe es so.
Die Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge habe ich natür­lich ange­bracht als ich dort anfing, schließ­lich habe ich zuvor schon eini­ge Unter­neh­men ken­nen­ge­lernt und es macht mir ein­fach Freu­de Abläu­fe zu opti­mie­ren. Es erleich­tert ja auch mei­ne Arbeit. Ich lei­te dort einen eige­nen Bereich und es gibt viel Kon­takt und Abstim­mung mit den ande­ren Abtei­lun­gen. Das kam nur bedingt gut an. Eigent­lich wur­de von Anfang an Vie­les von dem, was ich vor­ge­schla­gen habe, abge­blockt. Und teil­wei­se bin ich auch ange­eckt mit mei­ner Art.
Wenn der Chef mit Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­gen kommt, dann wird zwar auch geme­ckert, aber geblockt wird nicht. Das geht ja auch schlecht.
Bei mir schon. Mir wird ganz klar signa­li­siert, dass ich mich mit mei­nen Vor­schlä­gen ein­mi­sche.
Die­ses häu­fi­ge Abblo­cken erle­be ich als anstrengend. 

Der­zeit ver­su­che ich mich nun anzu­pas­sen an die dor­ti­ge Arbeits­wei­se. Und ich pas­se auf, dass ich die Gren­zen mei­ner Kol­le­gin nicht zu oft über­tre­te oder stra­pa­zie­re.
Aber ganz ehr­lich, ich kann mir nicht vor­stel­len, dass ich dort bis zu mei­ner Ren­te arbeite.

*Name geän­dert

 

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