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AUF­BRUCH NACH WEIMAR

Markus Stenger, 43 Jahre, Architekt, verheiratet, 2 Kinder

Ich bin in Nie­der­bay­ern auf­ge­wach­sen und mei­ne Schul­zeit hat mich nicht unbe­dingt dazu befä­higt, Gren­zen zu über­win­den. Bis zu die­ser zwei­wö­chi­gen Stu­di­en­fahrt mit dem Deutsch Leis­tungs­kurs nach Wei­mar nach der Wen­de. Nach dem Abitur habe ich dann genau dort an der Bau­haus Uni­ver­si­tät einen Stu­di­en­platz bekom­men.
Auch wenn es letz­ten Endes eine Nume­rus Clau­sus beding­te Ent­schei­dung war, in den Osten zu gehen, hät­te ich es nicht bes­ser tref­fen kön­nen. Ich habe die Auf­bau­at­mo­sphä­re in Wei­mar sehr genos­sen.
Zu Beginn waren etwa 30 % der Stu­die­ren­den Wes­sis. Der Lebens­stan­dard in den Stu­den­ten­wohn­hei­men oder Woh­nun­gen war sehr nied­rig – eini­ge mei­ner Besu­cher aus West­deutsch­land hat das ver­stört. Mich nicht. Wir hat­ten wun­der­ba­re Stu­di­en­be­din­gun­gen. 20–30 Stu­den­ten wur­den von zwei bis drei Assis­ten­ten fest betreut. Es war Zeit und Raum für ernst­haf­te und kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Archi­tek­tur. Unse­re Pro­fes­so­ren waren jung und moti­viert, kamen bunt gemischt aus Ost und West. Der Uni­ver­sal­ge­nie­my­thos “Goe­the” zog an.
Der Schritt von Nie­der­bay­ern nach Wei­mar hat es mir in der Fol­ge auch ermög­licht, für ein Stu­di­en­jahr in die USA nach Ohio zu gehen. Dort habe ich eine ganz ande­re Art der Archi­tek­tur-Leh­re erfah­ren kön­nen. In Wei­mar das plan­voll und struk­tu­rier­te Ent­wer­fen unter fes­ten Vor­ga­ben, das nichts dem Zufall oder Emo­tio­nen über­ließ und in Ohio das freie Ent­wer­fen bei dem es um die gestal­te­ri­sche Form ging – bei­des ver­bin­de ich heu­te als Architekt.

Der Weg über die ehe­ma­li­ge Gren­ze nach Wei­mar war aus einem wei­te­ren Grund für mich wich­tig. Ich habe im Stu­di­um mei­ne Frau ken­nen­ge­lernt und spä­ter wur­de dort unser Sohn geboren.

Mich trei­ben auch gut 20 Jah­re nach mei­nem Stu­di­um immer noch drei Moti­ve an:
1. Ich ler­ne nicht aus.
2. Es gibt Din­ge über dem Tel­ler­rand…
3. … und die möch­te ich sehen.

 

www.stenger2.de
www.s2lab.de

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WIE KANN MAN SICH KÖR­PER­LICH NUR SO RUNTERWIRTSCHAFTEN?

Bernd Hetzel*, 47 Jahre, Intensivpfleger

Wir hat­ten ein­mal einen Pati­en­ten, 29 Jah­re alt, der bei 1,67 Körper­größe 180 Kilo wog. Es war kein krank­heits­bedingtes Über­gewicht, son­dern im Lau­fe der Jah­re ent­standen.
Über den Win­ter hat­te er eine Grip­pe ver­schleppt und sich so eine schwe­re Herz­mus­kel­ent­zün­dung zuge­zo­gen. Er kam ins Kran­ken­haus, weil er kaum noch Luft bekam. Das war auch kein Wun­der, denn sein Herz hat­te nur noch 10% Pump­kraft, nor­mal sind 50–60%.
Das Herz war irrepa­ra­bel kaputt, er hät­te ein neu­es gebraucht. Doch für eine Trans­plan­ta­ti­on war er viel zu dick. Zum Abneh­men hät­te die Zeit nicht gereicht. Es war klar, dass er tod­krank ist und in den nächs­ten Wochen ster­ben wür­de. Er soll­te das Bett nicht ver­las­sen, weil bereits der Gang zur Toi­let­te sein Herz total über­for­dert hat.
Das Waschen eines sol­chen Kör­pers war nicht schön. In den vie­len Kör­per­fal­ten war die Haut schon wund und roch gar nicht gut. Ich ver­ste­he das nicht. Das ist doch ein jun­ger Mensch. Da will man doch was ande­res. Sei­ne Freun­din sah genau­so aus. Am liebs­ten hät­te ich die bei­den genom­men und geschüt­telt und gesagt: „Was macht Ihr nur mit Eurem Kör­per? Wie kann man sich nur so run­ter­wirt­schaf­ten!?“
Der Pati­ent hat den Ernst sei­ner Lage ein­fach nicht ver­stan­den. Er ist trotz­dem auf­ge­stan­den, um zur Toi­let­te zu gehen. Klar, dass er dabei umge­kippt ist.

*Name geän­dert

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