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ICH KOM­ME AUS DEM HAMS­TER­RAD NICHT RAUS

Thorsten Lindner*, 48 Jahre, verheiratet, Unternehmensberater, 2 Kinder

Wenn ich über Gren­zen nach­den­ke, den­ke ich zwangs­läu­fig über Schei­tern nach, weil damit eine Gren­ze mar­kiert ist.
Letz­tes Jahr war es bei mir bei­na­he soweit. Anfang des Jah­res kam das Finanz­amt mit einer sehr hohen For­de­rung auf mich zu. Die Sum­me an sich war gar nicht das Pro­blem, wohl aber der Ter­min zu dem ich die Zah­lung zu leis­ten hat­te.
Mei­ne Kun­den zah­len in der Regel alle, jedoch zum Teil mit sehr lan­gen Zah­lungs­zie­len von bis zu zwei Mona­ten. Genau das war das Pro­blem. Es war abseh­bar, dass ich das Geld zum genann­ten Ter­min nicht haben wür­de.
Alles Reden und Ver­han­deln half nichts. Ich konn­te mit dem für mich zustän­di­gen Finanz­be­am­ten kein ande­res Zah­lungs­ziel ver­ein­ba­ren. Wir waren kurz davor zah­lungs­un­fä­hig zu wer­den – mein Unter­neh­men und mei­ne Fami­lie stan­den kurz vor der Insol­venz, kurz vorm Schei­tern. 
Ich habe dann gear­bei­tet wie ein Beses­se­ner und somit das Ruder gera­de noch­mal rum­ge­ris­sen. Die Zah­lung konn­te ich dann gera­de so zum ver­ein­bar­ten Zeit­punkt leis­ten.
Aber ich war unglaub­lich wütend und auch hilf­los, dass unser Finanz­sys­tem so etwas zulas­sen wür­de.
Jetzt läuft wie­der alles eini­ger­ma­ßen, aber ich bin immer noch am Ackern und Rödeln und neh­me nahe­zu alles an, was kommt. Urlaub habe ich die­ses Jahr auch kei­nen rich­ti­gen gehabt. Und das mer­ke ich. Ich brau­che immer län­ger, bis ich mich rege­ne­rie­ren kann. Mit nur mal Aus­schla­fen ist es da nicht getan. Ich bin erschöpft.
Jetzt habe ich vor zwei Wochen wie­der eine Benach­rich­ti­gung bekom­men, dass ich Nach­zah­lun­gen leis­ten muss. Das hört ein­fach nicht auf. Ich kom­me aus die­sem Hams­ter­rad nicht her­aus.
Manch­mal hät­te ich gute Lust alles hinzuwerfen.

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ICH LER­NE DAS GERA­DE NEU

Constanze Dräger*, 45 Jahre, verheiratet, vier Kinder, selbständig

Mein Leben ist viel­fäl­tig.
In den letz­ten Jah­ren habe ich viel geschafft. Es ist viel vor­an­ge­gan­gen, beruf­lich und auch in der Fami­lie. Im Grun­de bin ich ger­ne für ande­re da und enga­gie­re mich ger­ne in mei­nem Umfeld.
Der­zeit ver­spü­re ich jedoch mehr und mehr den Wunsch bei mir zu blei­ben und hin­zu­spü­ren, was eigent­lich wirk­lich meins ist und mir gut tut. Ich unter­schei­de: „Was mache ich, dass es für mich passt?“ und „Was mache ich, dass es für ande­re passt?“ 
So in die­ser Form habe ich das in mei­nem Leben noch nie gemacht. Viel­mehr ver­spü­re ich manch­mal ein schlech­tes Gewis­sen, wenn ich Din­ge – zum Bei­spiel die Som­mer­fe­ri­en der vier Kin­der – auch danach pla­ne, dass es für mich ange­nehm und nicht (zu) stres­sig wird. 
Es geht nicht alles. Das ist so. Und es ist in Ord­nung, dass ich nicht alle Ansprü­che erfül­len kann. Es gibt natür­li­che Gren­zen und die muss ich auch nicht selbst per­ma­nent ein­tram­peln. Sonst lau­ge ich mich selbst aus.
Ich ler­ne das Ach­ten mei­ner Gren­zen gera­de neu.
Anfän­ger dür­fen sich ver­zei­hen, wenn sie etwas nicht gleich per­fekt kön­nen. Ich ver­su­che also sel­ber auch, mil­de und gedul­dig mit mir zu sein.
Ich mer­ke jetzt schon, dass es mir Spaß macht auf mei­ne Gren­zen zu ach­ten und auch mal Gren­zen zu set­zen. Es ist klar, befrei­end und tut gut.

*Name geän­dert

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