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ICH KANN DOCH SELBST BESTIMMEN!

Sonja Schmidt*, Abteilungsleiterin, 2 Kinder

Mei­ne Töch­ter sind 13 und 17. Die Puber­tät ist in vol­lem Gan­ge. Ihre Ver­än­de­rung vom Kind zur Jugend­li­chen und hin zur Erwach­se­nen fin­de ich sehr span­nend. Als Mut­ter neh­me ich auch einen Umden­kungs­pro­zess bei mir selbst wahr. Es ist jetzt ein­fach nicht mehr so, dass ich immer sagen kann, was Sache ist.
Dazu ein klei­nes Bei­spiel aus unse­rem All­tag:
Neu­lich gab es bei uns fett­ar­men Schin­ken, an dem wirk­lich nur ein ganz mini­ma­ler klei­ner Fett­rand zu sehen war. Mei­ne jün­ge­re Toch­ter isst die­sen Rand mit. Mei­ne älte­re Toch­ter schnei­det die­sen klei­nen Rand ab.
Ich fra­ge mei­ne gro­ße Toch­ter, was das denn soll: „Die­ses klei­ne Fit­zel­chen spürst Du doch kaum. Das kannst Du doch nun wirk­lich mit­es­sen!“
Sie ant­wor­tet ent­schie­den: „Ich kann doch selbst bestim­men, ob ich das jetzt mit­es­se oder nicht.“
Damit hat sie natür­lich Recht. Es steht mir über­haupt nicht zu, etwas dazu zu sagen. Ich mag ja auch nicht, dass mir irgend­je­mand sagt, was ich essen soll und was nicht.
Ich muss respek­tie­ren, dass mei­ne Toch­ter ein erwach­se­ner und selbst­stän­dig den­ken­der Mensch ist. Und das ist ja auch gut so.

*Name geän­dert

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SELBST­VER­ANT­WOR­TUNG ALS AUSBILDUNGSZIEL

Annette Engehausen, Bayerischer Rundfunk, Leiterin Referat Ausbildung

Die gro­ße Mehr­zahl unse­rer Aus­zu­bil­den­den durch­läuft ihre Aus­bil­dung erfolg­reich und mit viel Freu­de. Aber natür­lich gibt es auch schwie­ri­ge Situa­tio­nen. Alle psy­chi­schen Auf­fäl­lig­kei­ten, die die Gesell­schaft zeigt, sind auch schon unter unse­ren Aus­zu­bil­den­den auf­ge­taucht: Sucht­ver­hal­ten, Ess­stö­run­gen, Depres­sio­nen, bis hin zum Sui­zid­ver­such…
Die Betreu­ung die­ser Aus­zu­bil­den­den ist für unse­re Aus­bil­der oft eine Grat­wan­de­rung. Für was sind sie ver­ant­wort­lich und wo soll­ten sie sich – auch im eige­nen Inter­es­se – abgren­zen. Wir wol­len die Jugend­li­chen in ihrer fach­li­chen und per­sön­li­chen Ent­wick­lung beglei­ten und stär­ken, ande­rer­seits haben wir in einer Aus­bil­dungs­si­tua­ti­on kei­nen the­ra­peu­ti­schen Auftrag.

Ein Aus­bil­der der sich per­sön­lich ver­ant­wort­lich für eine sui­zid­ge­fähr­de­te Aus­zu­bil­den­de fühlt und ver­sucht rund um die Uhr für sei­nen Schütz­ling erreich­bar zu sein, setzt sich enorm unter Druck und gefähr­det sich selbst. Hier ist es wich­tig Gren­zen zu set­zen. Des­halb haben wir im Team mit Unter­stüt­zung von Psy­cho­lo­gen einen pro­fes­sio­nel­len Umgang für psy­chi­sche Auf­fäl­lig­kei­ten bei unse­ren Aus­zu­bil­den­den ent­wi­ckelt:
In Ein­zel­ge­sprä­chen spre­chen wir die Aus­zu­bil­den­den direkt an, wenn uns ein bestimm­tes Ver­hal­ten auf­fäl­lig erscheint und ver­wei­sen sie gege­be­nen­falls an die Betrieb­li­che Sozi­al­be­ra­tung, die Betriebs­ärz­tin oder eine Psy­cho­lo­gi­sche Bera­tungs­stel­le wei­ter. Unse­re Wahr­neh­mung ist viel­leicht nicht immer rich­tig. Aber es geht uns dar­um, die Selbst­ver­ant­wor­tung der Aus­zu­bil­den­den zu stär­ken. Sie sind sel­ber für ihr Leben ver­ant­wort­lich und müs­sen ler­nen es in die Hand zu nehmen.

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