Ich war acht Jahre alt, als die Mauer fiel. Für meine Eltern ist es bis heute die größte Katastrophe ihres Lebens, dass es die DDR nicht mehr gibt. Für mich nicht.
Schön fand ich damals als Kind das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Pionier-Gruppe. Aber die Ostblock-Mentalität in der Kindererziehung war nicht mein Ding. Als Kinder sollten wir:
- still sitzen
- ruhig sein
- keine Fragen stellen
- nicht auffallen
Mit 16 bin ich dann von zu Hause weg zur Ausbildung in ein großes Automobilunternehmen im Westen Deutschlands gegangen. Die Ausbildung und die Ermutigung meines Chefs selbstständig zu arbeiten haben mir super gefallen.
Nach 5 Jahren bin ich wieder zurück in den Osten gegangen, weil ich in der Nähe meiner Familie und meiner Freunde sein wollte. Ich hätte nicht gedacht, dass die Unterschiede so krass sind. Ich hatte das Gefühl, dass die Menschen nur jammern und traurig sind. Sie trauen sich nicht, was zu ändern. Besonders auf der Arbeit war das hierarchische Denken stark ausgeprägt im Sinne von „Der Chef hat Recht und wenn der nicht anders will, können wir nichts dagegen tun.“ Ich habe versucht, meine Kollegen davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam sehr wohl etwas erreichen und verändern können, aber die anderen haben sich nicht getraut. Ich habe dann selber gemerkt, dass ich so nicht leben kann, weil ich nicht mehr fröhlich bin. „Hier können wir keine Kinder bekommen.“ sagte ich schließlich nach vielen Anpassungsversuchen zu meiner Frau.
Wir sind dann wieder in eine Großstadt im „Westen“ gezogen.
Unsere Kinder sind jetzt 2 und 5 Jahre alt. Ich möchte sie zur Freiheit erziehen. Das macht auch Mühe. Sie stellen viele Fragen, gehen offen auf andere Menschen zu. Manche Leute empfinden das als anstrengend und fast nicht zumutbar. Im Restaurant gibt es sicher bravere Kinder als unsere — Kinder, die eine Stunde lang still sitzen können. Aber unsere Kinder können andere, ganz wichtige Dinge: Menschen helfen, sich für andere interessieren und sich über Kleinigkeiten freuen. Sie nehmen wirklich Anteil an ihrer Umwelt und wollen die Welt entdecken.
Meine Eltern können unseren Erziehungsstil nicht nachvollziehen. Sie sind in ihrer Ostblock-Mentalität bis heute gefangen.
*Name geändert