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WIE HABEN SIE DAS NUR GESCHAFFT?”

Gabriele Havelmann*, 75 Jahre, Industriekauffrau, 2 Kinder, 4 Enkelkinder

Ich habe Indus­trie­kauf­frau gelernt, nach mei­ner Aus­bil­dung eini­ge Jah­re in einer Steu­er­kanz­lei gear­bei­tet und dann 1960 nach der Hoch­zeit mit mei­nem Mann mit ihm in der Bäcke­rei sei­ner Fami­lie gear­bei­tet.
Unser Geschäft und die Woh­nung waren im glei­chen Haus. Im Laden hat­ten wir zwei Ange­stell­te: eine Ver­käu­fe­rin und eine Mäd­chen für Alles, das mit­tags auch für die gan­ze Beleg­schaft in der Back­stu­be gekocht hat.
Die Kin­der wur­den 1962 und 1963 gebo­ren und waren als „Mit­läu­fer“ die gan­ze Zeit dabei, zunächst im Gang in einem Lauf­stall und spä­ter haben sie im Hin­ter­zim­mer gespielt.
Wir hat­ten ein paar sehr net­te Kun­den, die gese­hen haben, dass es nicht immer ein­fach ist Geschäft und Kin­der zu ver­ein­ba­ren und ihre Hil­fe ange­bo­ten haben. Zum Bei­spiel unse­re Kin­der auf dem Weg zu Kin­der­gar­ten und Schu­le mit­zu­neh­men oder sie mit nach Hau­se zu brin­gen.
Spä­ter hat mein Mann den Kin­dern nach­mit­tags bei den Haus­auf­ga­ben gehol­fen, auch wenn er eigent­lich hät­te schla­fen sollen.

Dann bekam mein Mann eine Getrei­de-Eiweiß-All­er­gie und wir muss­ten die Bäcke­rei 1972 schlie­ßen. Er mach­te Reha und eine Umschu­lung zum Indus­trie­kauf­mann, ich fand eine neue Arbeit in der Kal­ku­la­ti­on eines Juwe­lier­ge­schäf­tes. Dort bin ich 20 Jah­re bis zu mei­ner Ren­te geblie­ben.
Unse­re Kin­der waren zu dem Zeit­punkt schon bei­de auf wei­ter­füh­ren­den Schu­len. Ich habe abends vor­ge­kocht und wenn die Kin­der zwi­schen 13 und 14 Uhr aus der Schu­le kamen, haben sie sich das Essen auf­ge­wärmt. Sie haben ihre Haus­auf­ga­ben gemacht, waren nach­mit­tags beim Sport und in der Kir­chen­ge­mein­de aktiv. Mein Mann und ich kamen erst abends nach Hau­se und haben uns dann um das geküm­mert, was bei ihnen noch anstand.
Wir haben mit unse­ren Kin­dern alle freie Zeit ver­bracht, die wir hat­ten. Bestimmt haben wir unse­ren Kin­dern viel abver­langt. Dafür sind sie sehr selbst­stän­dig gewor­den und haben jetzt jeder eine eige­ne intak­te Familie.

Mei­nem Chef bin ich heu­te noch dank­bar. Er wuss­te ja, dass ich Kin­der habe und hat mir ange­bo­ten nach mei­nen zeit­li­chen Mög­lich­kei­ten zu arbei­ten. Wenn mit den Kin­dern irgend­et­was war, konn­te ich spä­ter kom­men, frü­her gehen oder mir die Arbeit mit nach Hau­se neh­men.
Als er und sei­ne Frau, die auch im Geschäft gear­bei­tet hat, dann sel­ber ein Kind beka­men, hat er mich gefragt: „Frau Havel­mann, wie haben Sie das nur geschafft?“

*Name geän­dert

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WIR SIND FREI.”

Rahel Benedikt*, 41 Jahre, Physiotherapeutin, 1 Kind

Ich lebe allein mit mei­ner zwölf­jäh­ri­gen Toch­ter seit sie zwei Jah­re alt ist. Das ist nicht die Lebens­form, die ich mir ursprüng­lich gewünscht habe, aber inzwi­schen habe ich mich damit gut arran­giert. Es geht uns gut mit­ein­an­der und mei­ne Toch­ter sieht ihren Vater regel­mä­ßig. Ich arbei­te halb­tags als Phy­sio­the­ra­peu­tin in einer Pra­xis. Ich mag mei­nen Beruf.
Nach vie­len Jah­ren mit 20 Stun­den in der Woche habe ich jetzt auf 25 Stun­den auf­ge­stockt. Ich könn­te noch mehr arbei­ten, aber ich möch­te das nicht. So habe ich Zeit für mich und mei­ne Toch­ter. Nicht jeder ver­steht das.
Vor kur­zem wur­de ich ange­spro­chen, ob ich nicht für ein gro­ßes Unter­neh­men vor Ort eine Rücken­schu­le für Erwach­se­ne anbie­ten könn­te. Vie­le mei­ner Freun­de haben mir zuge­re­det und mir zu die­ser tol­len Chan­ce gra­tu­liert, aber ich habe das Ange­bot abge­lehnt. Mir reicht mei­ne der­zei­ti­ge Arbeit gera­de aus. Das wird mir sonst zu viel.
Ich ver­zich­te natür­lich auf eine Chan­ce mehr Geld zu ver­die­nen und mir ein wei­te­res Stand­bein auf­zu­bau­en. Aber ich bin zufrie­den so wie es der­zeit ist. Ich mag es ruhig.
Wir woh­nen in einer schö­nen Woh­nung mit Gar­ten zur Mie­te und ich fin­de, wir leben gut. Wir kau­fen gute Lebens­mit­tel, fah­ren auch hin und wie­der in den Urlaub – aber so, wie es unse­rem Lebens­stan­dard und unse­rer Art ent­spricht. Ein­fach und gut.
Vie­le Freun­de von mir haben eige­ne Häu­ser. Für mich kann ich mir das nicht vor­stel­len. Der Gedan­ke an ein eige­nes Haus ist für mich erdrü­ckend. Für mich wäre so ein gro­ßer Besitz eine zu gro­ße Ver­ant­wor­tung und Belas­tung.
Wir sind ein Stück weit frei. Von Besitz aber auch von Ansprü­chen. Wir haben Zeit.

 *Name geän­dert

 

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