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SEI BLOND!” – TEIL 2

Louisa-Starckman-Zintobel*, 39 Jahre, verheiratet, zwei Kinder

Und dann habe ich es noch mal gemacht. Das Ski­fah­ren.
Beglei­tet von der Sor­ge, ob das denn jetzt wirk­lich sein muss. Was ist, wenn ich fal­le? Was ist, wenn ich mich ver­let­ze?
Ich will wis­sen, wie es sich jetzt anfühlt in dem stei­len Berg zu sein. Ob es jetzt immer noch geht?
Ich will wis­sen, wo die Angst geblie­ben ist. Sie ein für alle Mal los sein.
Und es klappt. Was mir vor eini­gen Wochen steil und unmög­lich vor­kam, kann ich jetzt angst­frei bewäl­ti­gen. Es macht nicht unbe­dingt Spaß, aber ich kom­me run­ter und auch eini­ger­ma­ßen gut – nicht nur im Schnee­pflug. Immer­hin ist die Pis­te „tief­rot!“
Der Ski­leh­rer fährt mit mir wei­ter bis nach ganz oben auf den Gip­fel. Auch hier bewäl­ti­ge ich alle stei­len und schwie­ri­gen Stel­len.
Ich habe es ver­stan­den. Es geht. Ich kom­me über­all runter.

Es ist fast Mit­tag. Der Schnee ist schwer und sul­zig. An einer ein­fa­chen Stel­le wer­de ich zu schnell, ver­lie­re in der zer­fah­re­nen Pis­te das Gleich­ge­wicht und fal­le. Im Fal­len ver­dreht sich mein Knie und ich weiß, dass das jetzt nicht gut war.
Das war’s für heu­te. Der Ski­leh­rer ruft die Berg­wacht, sie fah­ren mich im Schlit­ten run­ter. Unten kommt der Kran­ken­wa­gen und bringt mich ins Kran­ken­haus. Der Ski­leh­rer bringt mein Auto nach. Von der Ski­pis­te in den War­te­be­reich der Not­auf­nah­me. Nichts ist gebro­chen. Ob das Kreuz­band geris­sen ist, kann man erst in 5–7 Tagen fest­stel­len. Ich hal­te das Knie hoch, ruhig und kühl und war­te ab.
Haus­halt geht nicht. Mein Mann über­nimmt klag­los. Die Kin­der füh­len sich als „Die­ner“, machen aber mit. Was aus den Urlaubs­plä­nen in einer Woche wird? Kei­ne Ahnung.

Jetzt mache ich es wie im Berg: Kur­ve für Kur­ve neh­men und mög­lichst nicht den­ken. Es nützt nichts sich Fra­gen zu stel­len. Es ist wie es ist.
Das wovor ich Angst hat­te, ist pas­siert: Hin­fal­len, sich ver­let­zen und irgend­wie wie­der nach Hau­se zurück müs­sen. Es ist nicht so schlimm wie befürch­tet. Ich füh­le mich stark und von mei­nen Ängs­ten befreit.
Ich bin blond.

*Name geän­dert

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SEI BLOND!” – TEIL 1

Louisa-Starckman-Zintobel*, 39 Jahre, verheiratet, zwei Kinder

Seit zwei Jah­ren ste­he ich das ers­te Mal wie­der auf den Ski­ern. Ange­fan­gen habe ich erst vor acht Jah­ren und bestimmt bin ich ins­ge­samt noch kei­ne 30 Stun­den Ski­ge­fah­ren. Ich will das machen. Doch als ich unten am Hang ste­he, spü­re ich plötz­lich nichts als nack­te Angst. Schlepp­lift fah­ren auf den Anfän­ger­berg, den ich vor zwei Jah­ren mit Spaß run­ter gefah­ren bin? Nicht dran zu den­ken. Ich bin völ­lig blo­ckiert.
Und jetzt? Heul­krampf oder Ski­leh­rer. Ich ent­schei­de mich für letzteres.

Der Ski­leh­rer bestärkt und ermu­tigt mich. Ich traue mich in sei­ner Gesell­schaft den Anfän­ger­berg zu fah­ren, aber es ist kein Ver­gleich zu dem, was ich mal konn­te. Er erkennt ziem­lich treff­si­cher das Pro­blem. “Irgend­was blo­ckiert Dich!“
Ich weiß auch nicht was los ist. Ich kann mir hier die Träu­me mei­ner Kind­heit erfül­len und jetzt fühlt sich das gar nicht gut an? Was soll das also?
Immer­hin blei­be ich dran und es gelingt mir den klei­nen Berg drei Mal allein zu fahren.

Am nächs­ten Tag geht es mit dem Ski­leh­rer auf eine rich­ti­ge Pis­te. Vom Ses­sel­lift aus sehe ich den Abhang, den es nach unten gehen soll. Grau­en­haft. Aber gut. Ich will das ja.
Was dann folgt ist die abso­lu­te Grenz­erfah­rung. Ich hän­ge in die­sem Berg fest und traue mich nicht. Der Ski­leh­rer gibt mir den Rat den Kopf aus­zu­schal­ten – wie beim Sex: „Sei blond!“

Ich bin nicht blond. Das ist so tief! Und so steil! Er ruft mir wie wild Din­ge zu, die ich tun soll. Ich ver­ste­he ihn nicht. Es ist exis­ten­zi­ell. Ich fal­le zwei­mal, kom­me nicht allei­ne hoch, der Ski­leh­rer rich­tet mich auf. Vor der nächs­ten Dre­hung blei­be ich wie­der aus Angst ste­hen. Ich traue mich ein­fach nicht. Er schreit mir zu, dass ich ihn anschau­en soll und das tue ich dann. Sei­ne Augen zie­hen mich über den Berg. Irgend­wann stop­pe ich wie­der. Ich will nicht. Ich kann die Ski­er nicht dre­hen. Es reißt mich bestimmt den Berg run­ter.
Der Ski­leh­rer zeigt mir, dass ich brem­sen kann und sicher ste­hen. Ich muss da run­ter. Es gibt kei­ne Alternative.

Und dann kon­zen­trie­re ich mich auf das was ist und was geht: Hang que­ren, Tal­ski belas­ten, leicht nach oben fah­ren und bei lang­sa­men Tem­po in den Pflug und dre­hen, dabei das Gewicht auf das ande­re Bein ver­la­gern, bei der Par­al­lel­fahrt mit den Augen die ande­re Sei­te fixie­ren – oder eben die Augen des Ski­leh­rers. Und ganz wich­tig: NICHT DEN­KEN! Dann ist es geschafft. Ich bin wie­der unten.

Und das Beklopp­te ist, ich will das unbe­dingt noch mal machen.

*Name geän­dert

 

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